Claviculafrakturen

Der Bruch des Schlüsselbeins ist eine Verletzung, die besonders häufig beim Radsportler infolge eines Sturzes auf die Schulter auftritt. Bei wettkampfmäßiger Ausübung des Radsports gibt es kaum Fahrer, die sich nicht mindestens einmal während ihrer Karriere das Schlüssel­bein brechen – unfreiwilliger Rekordhalter dürfte der Tour de France Zweite Cadel Evans sein, der sich in einer Saison gleich dreimal diese Verletzung zuzog.

Auch in aktuellen Lehrbüchern wird bei Claviculafrakturen nach wie vor die konservative Therapie mittels Rucksackverband über einen Zeitraum von 3 Wochen als das geeignete Behandlungsverfahren angegeben.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Behandlungsempfehlung, vor allem bei sportlich Ambitionierten, noch zeitgemäß ist. Wir sehen in unserer Sprechstunde, insbesondere in den Sommermonaten, jede Woche Radsportler mit Schlüsselbeinfrakturen, die mit der konservativen Behandlung nicht zufrieden sind. Die Patienten klagen teilweise über erhebliche Beschwerden durch das schmerzhafte Aneinander­reiben der Knochenbruchteile. Teilweise heilen die Brüche nicht oder nur verzögert oder in erheblicher Fehlstellung ab, was zu anhaltenden Beschwerden im Bereich des Schultergürtels führen kann (Abb. 1). Darüber hinaus hat die konservative Behandlung beim Sportler den Nachteil eines längeren Trainingsausfalls. Bei operativer Therapie können Radfahrer bereits nach 2–3 Tagen wieder auf dem Ergometer und nach 2–3 Wochen auf der Straße trainieren.

Bruch des Schlüsselbeins

Unserer Meinung nach kann aus den oben genannten Gründen die konser­vative Therapie von Claviculafrakturen, insbesondere beim Radsportler, nicht mehr uneingeschränkt empfohlen werden. Es ist eine differenzierte Therapieplanung in Abhängigkeit von der Lokalisierung der Fraktur, vom Ausmaß der Dislokation und Verkürzung sowie von den Ansprüchen des Sportlers erforderlich.

Bei wettkampfmäßiger Ausübung des Radsports empfehlen wir nur bei nicht oder unwesentlich dislozierten Frakturen, die zu keiner wesentlichen Fehlstellung oder Verkürzung der Clavicula führen, die konservative Therapie. Wir verwenden in diesen ­Fällen eine einfache Armschlinge, die eine weitere Verschiebung der Fragmente durch den Gewichtszug des Armes verhindert. Rucksackverbände setzen wir in den meisten Fällen nicht ein. Die Schlinge sollte für 2–3 Wochen getragen werden, dann sind die Fragmente soweit abgebunden, dass der Arm ohne Gewichtsbelastung bewegt werden kann. In diesem Zeitraum sollte nur ein Training auf dem Ergometer erfolgen.

Bei Verschiebungen der Fragmente ab Schaftbreite oder bei einem übereinander schieben der Fragmente, mit entsprechender Verkürzung der Clavicula, raten wir zur operativen Behandlung. Die konservative Therapie ist in diesen Fällen erheblich schmerzhafter, führt zu einem längerfristigen Trainingsausfall und ggf. Folgebeschwerden bei nichtanatomischer Ausheilung der Fraktur. Absolute Operationsindikationen sind offene Frakturen und Frakturen mit drohender Hautdurchspießung, die allerdings selten sind. Zur Wahl stehen die Plattenosteosynthese und die intramedulläre Schienung der Fraktur.

Die intramedulläre Osteosynthese hat den Vorteil eines sehr kleinen Zuganges und sehr schneller Belastbarkeit nach dem Eingriff. Es können jedoch nicht alle Frakturformen mit diesem Verfahren versorgt werden und

das Auffädeln des äußeren Hauptfragmentes kann schwierig oder bei engem Markraum sogar unmöglich sein. Teil­weise ist eine Freilegung der Frakturzone erforderlich. Frakturen des äußeren Claviculadrittels können nicht mit der intramedullären Schienung versorgt werden.

Die meisten Frakturen werden nach wie vor mit einer Plattenosteosynthese versorgt. Im medialen und lateralen Hauptfragment müssen jeweils 3 Kortikalisschrauben stabil verankert werden. Im Bereich der Frakturzone sollten keine Schrauben eingebracht werden. Nachteil der Plattenversorgung ist der größere Zugang mit Durchtrennung der Faszie über der Clavicula. Dies kann vorübergehend zu stärkeren postoperativen Beschwerden führen.
Eine Sonderform der Claviculafrakturen stellen die ganz lateralen Bruchformen dar, die meistens instabil sind und beim Unfall oder sekundär dislozieren können. Wir versorgen diese Frakturen mittels Hakenplatte oder Kirschnerdrähten.

Die stabile Ausheilung der Frakturen benötigt in der Regel 3 Monate. Die Implantate werden je nach Typ und Fraktur innerhalb von 3–12 Monaten im Rahmen eines ambulanten Eingriffes entfernt. Wir empfehlen danach eine Wettkampfpause von 6 Wochen. Eine Unterbrechung des Trainings ist nach Metallentfernung nur für 2–3 Tage erforderlich.

Fazit

Bei der Behandlung von Radsportlern raten wir lediglich bei nicht wesentlich verschobenen Frakturen zur konservativen Therapie. Bei dislozierten Frakturen empfehlen wir die operative Behandlung mittels Platte oder intramedullärer Schienung, die zu einer anatomischen Rekonstruktion mit schneller Belastbarkeit führt. Die typischen Probleme der konservativen Behandlung dislozierter Frakturen werden vermieden.

Autor: Dr.med. Thomas Ambacher

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