Warum ist Eiweiß so wichtig für Muskeln, Gesundheit, Sport?

Eiweiß und Sport – Beweislage für eine eiweißbetonte Ernährung

Es spricht viel dafür, dass nicht nur inaktive, ältere Personen sowie Patienten mit diabetischer Stoffwechsellage und Gewichtsproblemen, sondern auch Sportler von einer eiweißbetonten Ernährung profitieren. Denn diese kann je nach Anwendung nicht nur zu einer Gewichtsreduktion und besseren Körperkomposition, sondern auch zur Erhöhung der mitochondrialen Kapazität und Verbesserung der
Insulinsensitivität sowie im klinischen Bereich zur verbesserten Einstellung einer diabetischen Stoffwechsellage führen.

Die günstigen Effekte einer eiweißbetonten Ernährung werden in medizinischen Fachkreisen auf Grund der vorliegenden Datenlage hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Körperkomposition, hier Erhalt und Aufbau von Muskelmasse, mit dem Evidenzgrad 1B, bezüglich der Appetitregulation und Einhaltung einer reduzierten Kalorienzufuhr mit dem Evidenzgrad 2B eingeordnet.

Eiweißbedarf bei Sporttreibenden

Bei Sportlern besteht in der Phase des Muskelaufbaus wie auch unter Trainingsbedingungen mit intensiver Muskelarbeit ein erhöhter Eiweißbedarf; dies gilt sowohl für alle Formen des Krafttrainings als auch für Ausdauerbelastungen. Gemessen an der Stickstoffbilanz in der Trainingsphase ist der Proteinbedarf bei Bodybuildern allerdings nur um 10 bis 20 Prozent, bei Ausdauerathleten infolge der hohen Energieumsätze dagegen um bis zu 70 Prozent gegenüber Normalpersonen mit einem angenommenen Proteinbedarf von 0,73 g pro kg Körpergewicht erhöht. Entsprechend werden Sportlern Tagesproteinzufuhren von ca. 1,4 g Eiweiß pro kg Körpergewicht empfohlen. Anders als in der älteren sportmedizinischen Literatur beschrieben, erscheinen heute Tagesrationen von mehr als 2 g/kg KG nicht vertretbar; diese sollten selbst für Spitzensportler in Maximalkraftdisziplinen nicht überschritten werden.

In der Auswahl der Lebensmittel für die Eiweißzufuhr sollte auch für Sportler der Anteil von tierischem Protein an der Proteinzufuhr bei 40 bis 50 Prozent und von pflanzlichem Protein bei über 50 Prozent liegen. So wird einerseits die Fett-, Cholesterin- und Purinaufnahme reduziert und andererseits die vorteilhafte und wünschenswerte Kohlenhydratbetonung in der Ernährung des Leistungssportlers realisiert. Beim Wissen um die positive Beeinflussung der Stickstoffbilanz durch pflanzliche Eiweiße erscheint dies umso mehr gerechtfertig.

Zielsetzung Gewichtsreduktion und verbesserte Körperzusammensetzung

Unter dem Aspekt der Gewichtsreduktion wie auch zur Verbesserung der Körperzusammensetzung bei Gewichtskonstanz wirken Eiweißzufuhr und körperliche Aktivität, hier vorrangig als Kraftausdauertraining, synergistisch auf die Initiierung der Proteinsynthese und die Synthese von Muskelproteinen (s. schematische Darstellung). Die synergistische Wirkung wird dann optimal, wenn die Eiweißzufuhr in zeitlicher Nähe zur Muskelbelastung erfolgt.

Bei der Empfehlung und Befürwortung einer eiweißbetonten Ernährung sind aus sportmedizinischer wie auch ernährungsphysiologischer Sicht spezielle Wirkmechanismen besonders interessant und hervorzuheben. Entsprechend soll auf die Aspekte der Sättigung, der Thermogenese, der Muskelmasse sowie der Fettoxidation unter eiweißbetonter Ernährung im Folgenden eingegangen werden.

Studien

Aktuelle wissenschaftliche Studien wie auch die Erfahrungen aus der Ernährungsberatung belegen, dass durch eine höhere Eiweißaufnahme das subjektive Gefühl der Sättigung länger anhält und das Auftreten von Hungergefühlen verzögert wird. Bei einer reduzierten Kalorienzufuhr kann ein höherer Proteingehalt der Kost so zu einer größeren Akzeptanz der Ernährungsmaßnahme und damit auch zu einem besseren Erfolg einer angestrebten Ernährungsumstellung beitragen. Kontrollierte Studien zum Sättigungsverhalten von Athleten unter Trainings- und Wettkampfbedingungen liegen allerdings nicht vor.

Energiehaushalt

Der Zusammenhang von Nahrungsaufnahme und Wärmebildung wird über die spezifisch dynamische Wirkung der Nährstoffe beschrieben. Sie besagt, wie viel Energieverlust ein Nährstoff im Stoffwechsel eingeht. Dieser Effekt ist beim Nährstoff Eiweiß am größten; der Eiweißumsatz stellt eine energetisch aufwendige Prozedur für den Organismus dar. Auch wenn Eiweiß über die Oxidation von Aminosäuren im Kohlenhydratmangel als Energieträger bei Ausdauerbelastung oder im Zustand des Fastens zur Energiebereitstellung herangezogen wird, sind Eiweiße keine primären Energieträger oder Energiereserven.

Die nahrungsbedingte Thermogenese nach proteinreichen Mahlzeiten hält etwa doppelt so lange an wie nach kohlenhydrat- und fettbetonten Mahlzeiten mit gleichem Energiegehalt. Sie entspricht 25 bis 30 Prozent der mit Proteinen aufgenommenen Energiemenge, während es bei Kohlenhydraten sechs bis acht und beim Fett lediglich zwei bis drei Prozent sind.

Zudem wirken sich Proteine auf die Gen-Expression von Entkopplerproteinen (UCPs) aus. UCPs beeinflussen den Energiehaushalt, indem sie die mitochondriale Atmungskette entkoppeln und den Energieumsatz steigern können; Energie wird dann in Form von Wärme frei. Damit ist Eiweiß ein unökonomischer Energielieferant. Eine Eigenschaft, die nicht primär für die Leistung, aber auch bei Sportlern für die Gewichtsstabilisierung von Vorteil sein kann.

Eiweiß als Energiequelle

Unter Hungerbedingungen, z.B. bei rigorosen Crashdiäten oder unter dem Zwang des Gewichtmachens im Leistungssport, wie auch unter extensiver Ausdauerbelastung wird Körpereiweiß dennoch als Energiequelle herangezogen. Dabei bewirkt der Abbau von Eiweiß und der Rückgriff auf freie Aminosäuren eine katabole Stoffwechsellage, die hinsichtlich der stoffwechselaktiven Muskelsubstanz unerwünscht ist.

Der Verlust an aktiver Muskulatur ist in jedem Fall von Nachteil. Er reduziert die Kraftausdauer und verlangsamt die Stoffwechselrate. Eine eiweißbetonte Ernährung, vorrangig mit einem hohen Leucingehalt, bewahrt Sportler vor dem Abbau der Muskelmasse. Am stärksten ist der Muskelschwund verständlicherweise beim totalen Fasten beziehungsweise bei Nulldiät. Die Kombination von eiweißbetonter Ernährung mit körperlicher Aktivität lässt die stoffwechselaktive Muskulatur dagegen am besten erhalten. Eine ausreichende Eiweißzufuhr in Verbindung mit körperlichem Training kann deshalb dem Verlust an Muskelmasse und Muskelkraft im Altersgang vorbeugen.

Das für den Energieumsatz wichtigste Organ ist die Muskulatur. Dies gilt für Ruhe- und erst recht für Belastungsbedingungen. Muskulöse Personen verbrennen selbst in Ruhephasen unter Umständen mehr Kalorien und Fett als inaktive und untrainierte Menschen mit wenig Muskeln und einem hohen Körperfettanteil bei moderater Bewegung. Zudem weisen aktuelle Ergebnisse aus der Adipositasforschung darauf hin, dass ein erhöhter Eiweißanteil bei der Nahrungszufuhr die Fettoxidation und die Nutzung von Fettsäuren an der Energiebereitstellung erhöht; kontrollierte Daten liegen für Milcheiweiß und auch für Sojaeiweiß vor.

Über die wichtige Frage, ob dies auch die Anpassung des Muskels an Ausdauertraining verändert und möglicherweise die aerobe Kapazität für die Nutzung von Fettsäuren im Sport verbessert, kann allerdings zur Zeit nur spekuliert werden. Davon unabhängig ist im Sport wie auch bei unterkalorischer Mischkost eine Flexibilität in der Zusammensetzung der Makronährstoffe nicht nur möglich, sondern sinnvoll. Während die Energiezufuhr aus Fetten unter 35 Energieprozent bleiben sollte, kann der Bereich für Proteine variabel gestaltet werden und bis zu 30 Energieprozent ausmachen.

Autor: Prof. Dr. Aloys Berg

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