Ellenbogenverletzungen sichtbar machen
Im Vergleich zu anderen großen Gelenken wie Schulter oder Knie sind akute oder chronische Verletzungen am Ellenbogen deutlich seltener. Die Korrelation strukturell-morphologischer Veränderungen mit den klinischen Tests und den subjektiv empfundenen Beschwerden fällt nicht immer leicht.
Umso größere Bedeutung haben Grundkenntnisse in der klinischen Basisdiagnostik, um rechtzeitig weiter gehende bildgebende Abklärungen oder eine zielgerichtete Therapie einleiten zu können. Im Folgenden soll auf die häufigsten am Ellenbogengelenk auftretenden Verletzungen eingegangen und dabei die klinische Untersuchung ins Zentrum gestellt werden. Den kompletten Ablauf einer klinischen Untersuchung demonstriert zusätzlich ein Video, welches das Ellenbogen Komitee der AGA auf youtube bereitgestellt hat (keywords: Ellenbogen, Untersuchung).
Epicondylopathie
Die mit Abstand häufigste Ursache für ellenbogenbezogene Arztkonsultationen ist die Epicondylopathie. Monotone und repetitive Belastungen, insbesondere der Extensor carpi radialis brevis-Sehne, führen zu ansatznahen Mikrorissen und lösen z.T. invalidisierende Schmerzen aus. Die klinische Untersuchung testet mittels der resistiven Kraftprüfung die Streck- und Beugesehnen (radial: Cozen und Maudsley Manöver, ulnar: Pronation gegen Widerstand; Abb.1). Hyperlaxe Gelenke scheinen eine Prädisposition für die Entwicklung einer Epicondylitis darzustellen. Die radiologische Untersuchung ist oft unergiebig. MR-tomografisch gelingt in vielen Fällen der Nachweis der Insertionstendinopathie (Abb.2). Zusätzlich lassen sich dadurch intraartikuläre Begleiterkrankungen ausschließen und die Integrität des Kollateralbandapparates überprüfen.
Plica Impingement
Differenzialdiagnostisch ist bei radial lokalisierten Ellenbogenschmerzen an eine einklemmende Plica synovialis zu denken. Die Differenzierung zum Epicondylitis-Patienten kann schwierig sein. Einerseits manifestieren sich die Plicabeschwerden typischerweise weiter dorsal im so genannten „softspot“. In diesem Dreieck, gebildet aus lateralem Epicondylus, Radiuskopf und Olekranon, kann außerdem eine intraartikuläre Ergussbildung am besten erkannt werden (Abb.3). Andererseits lassen sich die Plica-Schmerzen mit den Epicondylitis-Tests nicht provozieren.
Der Plica-Impingement-Test ist sowohl für eine dorsal als auch ventral einklemmende Schleimhautfalte beschrieben. In der MRT stellt sich die Plica als eine signalangehobene Struktur im posterolateralen Anteil des humeroradialen Gelenks dar. Um nicht als Verlegenheitsdiagnose zu gelten, kann als diagnostischer Beweis für eine Plicasymptomatik eine intraartikuläre Testinfiltration durchgeführt werden. Ein schmerzbefreiender Effekt kann als Beweis für die Plica als Schmerzgenerator interpretiert werden. Die arthroskopische Synovektomie bietet eine minimalinvasive Therapieoption für das Plica-Impingement (Abb.4).
Freie Gelenkkörper
Im Falle einer primären oder posttraumatischen Chondromatose des Ellenbogens ist bereits in vielen Fällen die Anamnese mit Gelenksblockaden wegweisend und die bildgebenden Abklärungen dienen nur noch zur Bestätigung der postulierten Diagnose. Die Größe der sich interponierenden freien Gelenkkörper variiert stark. Dank der arthroskopischen Operationstechnik sind die Patienten effektiv und rasch behandel- und rehabilitierbar.
Morbus Panner vs. Osteochondrosis dissecans
Bei jungen Patienten ist die Differenzierung zwischen einem Morbus Panner und einer Osteochondrosis dissecans nicht immer einfach. Während sich der Morbus Panner typischerweise bei jüngeren Patienten (< 10. Lebensjahr) erstmanifestiert und eine Erkrankung des Knochenkernes darstellt, betrifft die Osteochondrosis dissecans ein umschriebenes Areal der Knorpeloberfläche und der darunterliegenden osteochondralen Schicht. Die Kernspintomografie hilft in der Stadieneinteilung und Entscheidungsfindung bezüglich operative Therapie. Prädilektionsstelle für eine avaskuläre Knochenzerstörung ist das Capitulum humeri.
Die konsequente Schonung des Gelenkes erhöht die Chancen auf eine Heilung im Spontanverlauf. Haben sich hingegen bereits Fragmente losgelöst, ist ihre arthroskopische Entfernung sinnvoll und je nach Möglichkeit eine Knorpeltherapie zu diskutieren (Abb.5). Neben der Säuberung des Defektes kann eine Mikrofrakturierung ohne großen Zusatzaufwand durchgeführt werden. Autologe osteochondrale Transplantationen wurden beschrieben. Fallberichte existieren ebenfalls von Knorpelzelltransplantationen.
Radiale und ulnare Instabilität
Im Gegensatz zur Chondromatose äußert sich die chronische Instabilität, sei sie posterolateral oder medial lokalisiert, weniger eindeutig. Die Patienten berichten primär über Schmerzen von z.T. wechselnder Lokalisation. Die muskuläre Abwehrspannung erschwert die klinische Untersuchung oft erheblich. Die kombinierte Anwendung verschiedener Untersuchungsmanöver erhöht die Verdachtsmomente, die insbesondere in Bezug auf die posterolaterale Rotationsinstabiliät abschließend nur durch Kernspintomografie und die arthroskopische Untersuchung bestätigt oder verworfen werden können.
Ulnar und radial besteht der Kollateralbandapparat aus einem Komplex verschiedener Bandstrukturen. Außerdem tragen die muskulotendinösen Ansätze der Flexoren und Extensoren relevant zur Gelenksstabilität bei. Ein ausgedehnter Extensorenabriss, der über lange Zeit als chronische Epicondylopathie behandelt wurde, kann so eine klinisch schwierig zu fassende Rotationsinstabilität im Humeroradialgelenk maskieren. Die entsprechenden Tests des ulnaren und radialen Bandapparates fassen die Abbildungen 6 und 7 zusammen. In Bezug auf die praktische Durchführung sei auf das Untersuchungsvideo auf youtube verwiesen:
Der Werferellenbogen
Die ulnarseitige Bandinsuffizienz ist eine typische wurfsportassoziierte Verletzung des Ellenbogens. Der statische Valgus-Stresstest und der dynamische Moving Valgus-Stresstest sowie das Milking-Manöver dienen der gezielten Prüfung des ulnaren Seitenbandapparates. Da die Flexoren häufig im Sinne einer Tendinitis mitbetroffen sind, zeigen sich in den klinischen und kernspintomografischen Untersuchungen Schmerzen bei der resistiven Kraftprüfung der Pronation respektive Signalalterationen.
Ebenfalls typischerweise bei Wurfsportlern auftretend und unter dem Begriff des Valgus-Extension-Overload zusammengefasst, werden Folgen einer überlastungsassoziierten Degeneration im dorsalen Anteil des humeroulnaren Gelenkanteils beschrieben. Insbesondere an der medialen Olecranonkante können osteophytäre Anbauten klinisch im Sinne einer Druckschmerzhaftigkeit und bildgebend am präzisesten mittels Schnittbildverfahren objektiviert werden.
Nervus ulnaris
Durch den prominenten Verlauf des Nervus ulnaris entlang des gleichnamigen Sulcus und die repetitive Dehnung des Nerven bei Beugung treten Neuritiden bei Wurfsportlern gehäuft auf. Der Nerv ist der klinischen Untersuchung gut zugänglich und eine Instabilität mit Luxation des Nerven kann zweifelsfrei und ohne bildgebende Zusatzuntersuchungen erfasst werden (Abb.8).
Verletzungen der distalen Bicepssehne
Die akute distale Bicepssehnenruptur gehört mit der typischen Anamnese (Kraftsportler) und der charakteristischen Veränderung der Oberarmkontur zu den Blickdiagnosen der Orthopädie. Gleichzeitig bereiten aber auch Partialläsionen erhebliche Schmerzen und einen Kraftverlust. Neben der Palpation gibt die resistive Prüfung der Supination Auskunft über die Integrität dieser Struktur. Kernspintomografisch ist neben den eigentlichen Signalveränderungen im Sehnenansatzbereich der Nachweis eines Seroms charakteristisch für eine degenerative Schädigung der distalen Bicepssehnenverankerung (Abb.9).
Fazit
Eine strukturierte Ellenbogengelenksuntersuchung erlaubt in der Vielzahl der Fälle eine zuverlässige Diagnosestellung. Die Kernspintomografie ist insbesondere bei therapieresistenten Epicondylopathien hilfreich. Durch sie können eine Plica, aber auch Seitenbandläsionen verifiziert werden. Chronische Bandinstabilitäten können lange Zeit unter dem Deckmantel einer „chronischen Epicondylitis” unerkannt bleiben. Bei entsprechenden Verdachtsmomenten rechtfertigt sich die diagnostische Arthroskopie zur Überprüfung der klinischen und MR-tomografischen Befunde.
Autor: Dr. med. Michael C. Glanzmann
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