HRV-Training & HRV-Biofeedback

Das Thema „Herzratenvariabilität“ (HRV) findet immer mehr Platz in den unterschiedlichen Fachbereichen, die sich mit Gesundheit, Prävention und körperlicher Aktivität beschäftigen. Wurde die HRV bisher hauptsächlich zu diagnostischen Zwecken sowohl in der (Sport-) Medizin (Risikostratifizierung, neurokardiale Regulation) als auch in der Sportwissenschaft (Trainingssteuerung, Leistungsdiagnostik) eingesetzt, wird es immer interessanter, die HRV auch im Bereich Therapie und Training einzusetzen.

Die HRV-Analyse hat sich als einfaches Messinstrument bewährt, um einen Istzustand zu definieren und eignet sich darüber hinaus aber auch, um ein gezieltes Training für ein stabiles und doch flexibles autonomes Nervensystem und damit eine innere Balance durchzuführen. Diese braucht der Mensch, um vor einer Belastung ruhig und konzentriert sein zu können, während einer Anforderung Leistung abrufen zu können und in Phasen der Erholung schnell und effektiv regenerieren zu könne

HRV-Training

Das Ziel des HRV-Trainings ist es, die Balance von Sympathikus und Parasympathikus, den beiden Anteilen des autonomen Nervensystems (ANS), zu optimieren oder wiederherzustellen und Belastung und Erholung in ein gesundes Verhältnis zu setzen. Oft dominiert der Sympathikus, vor allem bei nicht ausreichenden Erholungsphasen, zu hohen Trainingsreizen, Nervosität, VersagensÄngsten, chronischem Stress und Burnout. Beim HRV-Training handelt es sich um eine Biofeedbackmethode, bei der die HRV mithilfe einer langsamen und tiefen Atmung vergrößert werden soll. Ein PC-gestütztes System ermöglicht eine direkte und objektive Rückmeldung, ob Atmung, Blutdruck und Herzfrequenz in einen gemeinsamen Rhythmus übergehen (sog. Herz-Kohärenz). Ist diese Rhythmisierung erreicht, bildet sich die sog. respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) aus, eine Maximierung der HRV.

Die ruhige und tiefe Atmung allein ist noch nicht der Schlüssel. Erst wenn die Atmung sich auch auf die Herzfrequenz überträgt, erreicht man die positiven Effekte für Balance und direkte Aktivierung des Parasympathikus. Ein unmittelbares Feedback anhand der eigenen Körperwerte ist entscheidend, um Körperwahrnehmung und Atemtechnik zu verbessern. Sobald das Gelernte im Unterbewussten abgelegt ist, kann es in jeder Situation ohne Biofeedback-System abgerufen werden. Man kann das HRV-Training auch mit einem Krafttraining vergleichen: Ist der Bizeps (Parasympathikus) gezielt trainiert worden, kann er in jeder Situation kraft-und sinnvoll arbeiten.

HRV-Biofeedback im Sport

Die HRV-Biofeedback-Methode findet bisher vor allem Einsatz in der psychosomatischen Behandlung (Stress, Depression und Ängste), dort, wo die innere Balance verloren gegangen ist. Ansätze sind aber auch im Sport zu sehen bzw. lassen sich gut übertragen. Geübte SportlerInnen profitieren zum Beispiel vor oder in einer Wettkampfsituation, die ein ruhiges und konzentriertes Verhalten auf den Punkt voraussetzt: Elfmeterschießen, Start beim 100m-Lauf, Skispringen etc. Sie können vorher trainieren, inner- lich ruhig und gelassen zu sein, die Atmung effektiv einzusetzen, um übermäßige Nervosität und Aufregung zu reduzieren. Mithilfe des HRV-Trainings können sie lernen, im entscheidenden Augenblick konzentriert und fokussiert zu sein und körperliche Anspannung gezielt herunterzufahren.

Ein weiteres Beispiel findet man im Biathlon. Aus der hohen körperlichen Anstrengung heraus müssen die SportlerInnen direkt zum konzentrierten und ruhigen Schießen übergehen. Das klappt nur, wenn der Körper schnell reguliert und umschaltet und die SportlerInnen dies ganz gezielt steuern können. Ähnlich im Golfsport, wo die Atmung sowieso eine große Rolle spielt: Auf den Punkt ruhig und konzentriert sein, um den Abschlag optimal vorzubereiten und durchzuführen, sich von Fehlschlägen nicht frustrieren und „stressen“ zu lassen.
Darüber hinaus kann das HRV-Biofeedback auch bei SportlerInnen mit Übertrainingszustand oder Burnout genutzt werden. Beide Zustände gehen in der Regel mit eingeschränkten HRVWerten und einer autonomen Dysbalance einher. Allerdings liegen im Hinblick auf diese Problematik bisher eher Erfahrungswerte als wissenschaftliche Belege vor.

Nicht zuletzt kann eine direkte Parasympathikus- Stimulation die aktive Erholung nach dem Training einleiten und unterstützen: Geübte können mit wenigen tiefen Atemzügen die inneren Systeme auf Regeneration und Erholung einstimmen. HRV-Biofeedback ist eine altbekannte Methode mit vielen neuen Ansatzpunkten.

Autor: Dr. Deborah Löllgen

Dieser Artikel stammt aus dem Archiv der ehemaligen Seite medicalsportsnetwork.de. Er wurde mithilfe der Wayback Machine (archive.org) rekonstruiert um weiterhin zur Verfügung zu stehen.