Knochenmarködeme

Der Fußballsport stellt neben der hohen Belastungsanforderung an die Muskulatur ­sowie den Kapsel-Sehnen-Bandapparat auch eine hohe Beanspruchung an den Knochen dar. Durch den zunehmenden Einsatz der Magnetresonanztomografie werden immer häufiger auch Läsionen der Knochen-Knochenmark-Einheit diagnostiziert.

Diese treten infolge einer chronischen Überbelastung oder nach Traumen als Knochenmarködeme in Form von Knochen­prellungen („Bone bruise“), Stress- frakturen, Knochenmark­ödemsyndromen (KMÖS) oder als kombinierte Knochen-Knorpel-Läsion auf. Um eine rasche Rückkehr in das Sportgeschehen zu gewährleisten, ist eine pathologiekonform­e Therapie, angepasst an den jeweiligen Typ des Knochen-marködems, notwendig. Im Folgenden werden die moder­nen Verfahren zur Diagnosestellung und Therapie dieser Knochenläsionen dargestellt.

Hintergrund

Traumen mit Knochenprellungen („Bone bruise“ – Abb. 1), osteochondralen Verletzungen, Mikrofrakturen oder Minder­durchblutungen des Knochens in gelenknahen Anteilen lösen im Knochenmark eine akute Entzündungsreaktion aus. Es kommt zu einer zellvermittelten Ausschüttung von proinflammatorischen Mediatoren, die eine entzündliche Gefäß­reaktion mit Austritt von Flüssigkeit in den Zellzwischenraum des Knochens auslösen. In der Folge kann dies zur Ausbildung eines Knochenmarködems mit einer erhöhten ungeordneten Knochenumbaurate führen, welcher bei einem­ bestehenden reduzierten venösen Abfluss noch verstärkt wird. Die Knochenmineralisationsrate ist reduziert, ohne dass jedoch ein Knochenmasseverlust im Sinne einer Osteoporose vorliegt. Die Präsenz von aktiven, intakten Zellen mit vitalem Knochen spricht für die potenzielle Repara­tur­kapazität und Reversibilität dieses Syndroms nach Reduktion des erhöhten Knochenumbaus und Normalisierung der Knochendurchblutung. Durch die Drucksteigerung im Knochenkompartiment kommt es auch zur Irritation der zahlreichen afferenten Nervenfasern im Knochenmarkareal, welche den charakteristischen Schmerz vermitteln.

Das KMÖS betrifft vorwiegend jüngere Patienten und somit auch den aktiven Freizeitsportler und den Leistungs­sportler. Sportarten mit kurzen, intensiven Belastungsspitzen­ (z.B. Fußball und andere Wechsellastsportarten), Sportarten mit erhöhter Verletzungsgefahr (Zweikampf-, Kontaktmann­schaftssportarten), aber auch Sportarten mit sich wiederholenden Belastungsmustern einer bestimmten Gelenkregion­ sind gehäuft betroffen. Auch beim Sportler müssen neben den sportspezifischen Schädigungsmustern weitere Entsteh­ungsmöglichkeiten des KMÖS abgeklärt werden (Tab.1). Männer sind insgesamt häufiger betroffen als Frauen. Am häufigsten sind die Kniegelenk- und die obere Sprungge­lenk- und die Hüftgelenkregion betroffen. Knochenmark­ödeme (KMÖ) treten meist gelenknah in der epi- und meta­physären Region auf. Die Erkrankung beginnt meist mit einem akuten Schmerz und einer deutlichen Funktions­einschränkung der betroffenen Gelenkregion. Typisch sind der vorhandene Ruheschmerz aufgrund des erhöhten Druckes im geschlossenen Knochenkompartiment und die Verstärkung des Schmerzes unter Belastung.

Diagnostik

Häufig wird die Diagnose eines KMÖ erst verzögert diagnostiziert, da initiale Symp-tome denen der häufig auftretenden Muskel- und Kapselbandverletzungen ähnlich sind und diese auch häufig begleitend auftreten. Beim KMÖS ist das Röntgenbild im Frühstadium unauffällig. In der Magnetresonanz­tomografie (MRT) ist das KMÖ jedoch bereits sichtbar. Die Diagnose eines Knochen­marködems kann mit hoher Spezifität und Sensitivität durch die MRT in Ver­bin­dung mit den klinischen Symptomen ­ge­stellt werden. Auch begleitende osteochondrale Läsionen, Osteonekrosen, Knochenkontusionen („bone bruise“), Stressfrakturen und Kapsel-, Band-, Sehnenverletzungen können­ mit der MRT ebenfalls gut dargestellt werden. Die Ödemregion stellt sich in den wassersensitiven, fettunterdrückten T2-gewichteten, den protonengewichteten und den STIR-Sequenzen hyperintens dar und in der T1-Wichtung hypointens. Die STIR-Sequenz stellt die bevorzugte Bildsequenz dar.

Konservative Therapie

Generell ist ein konservativer Therapie­an­satz bei potenziell gegebener Reparatur­kapazität des KMÖS anzustreben. Die symptomatische Dauer unter konservativer Therapie wird in der Literatur mit 3 bis 24 Monaten angegeben, wobei speziell bei verzögerter Diagnosestellung lange Verläufe bekannt sind. Es sollte eine Entlastung unter Thromboseprophylaxe von ca. vier Wochen, gefolgt von einer schrittweisen Aufbelastung, durchgeführt werden. Zu­sätzlich sollten eine Schmerztherapie und eine antiphlogistische Therapie durchgeführt werden und – falls notwendig – eine Vitamin-D Substitution mit mindestens 1000 IE pro Tag. Der Therapieansatz und auch der Therapieerfolg sind vom Typ des KMÖ abhängig (siehe Tab.1).

Knochenmarködeme mit einer bestehenden Nekrose­zone (z.B. Femurkopfnekrose, M. Ahlbäck­ der Femur-kondylen) haben eine deutlich schlechtere Prognose als reine Knochenmarködeme. Da ein KMÖ potenziell auch ein Frühstadium einer Osteonekrose dar­stellen kann, ist bei anhaltenden Beschwer­den und einer radiologischen Verschlechterung (Ausbreitung und Intensitätszunahme des KMÖ, Präsenz subchondraler Verdichtungs­zonen) ein aggressiveres therapeutisches Vor­gehen mit einer medikamentösen oder operativen Therapie anzustreben, um der Entstehung einer Osteonekrose vorzubeugen.­

Speziell im Sport und v.a. im Leistungs­sport besteht das hohe Bedürfnis des be-troffenen Sportlers und seines Umfeldes zu einer möglichst raschen Rückkehr zum vor­maligen Leistungsniveau. Dies bedingt häufig den früheren Einsatz einer invasiveren Therapiemethode, da konservative Thera­pie­ansätze, speziell bei verzögerter Dia­gnose­stellung, oft mit langwierigen Krank­heits­verläufen vergesellschaftet sind. Die Therapiekonzepte zur Behandlung der unterschiedlichen KMÖ-Typen mit ihren Erfolgschancen und ihrem Nebenwirkungsprofil sind daher ausführlich mit dem Patienten zu besprechen und zu dokumentieren, da meist Studien höchster Evidenz zur Behandlung des relativ „jungen” Krank­heits­bildes KMÖS fehlen und viele Therapie­formen daher einen „off-label-use” dar­stellen.

Medikamentöse Therapien

Nach einer erfolglosen konservativen Thera­pie können medikamentöse Therapien ange­wendet werden. Die Infusionstherapien mit Rheologika (Prostazyklin Ilomedin – „off-label-use“) und den Bisphosphonaten (Ibandronat und Zoledronat – „off-label-use“), die als Osteoklastenhemmer wirken, werden hier schon seit einiger Zeit eingesetzt. Prostazykline sollen eine Durchblutungs­förderung und einen verbesserten ve­nösen Abstrom am Knochen bewirken. Die i.v. Applikation wird auf­grund der zahl­reichen­ möglichen und potenziell schweren Nebenwirkungen über fünf Stunden täglich an fünf aufeinander folgenden Tagen stationär durchge­führt. Die Therapie mit intravenösen Bisphosphonaten bewirkt eine Reduktion des beim KMÖ gesteigerten Knochenumbaus durch eine gezielte Hemmung der Osteoklasten. Die intravenöse Therapie ist aufgrund des schnellen Wir­kungseintrittes der oralen­ Therapie vorzu­ziehen.

Die i.v. Therapie zeigt ein geringes Nebenwirkungsspektrum und kann ambulant durchgeführt werden. Als Kontraindikationen gelten eine Schwangerschaft und die Stillzeit. Die Infusionstherapie mit Bisphosphonaten zeigt in der kli­nischen Erfahrung einen raschen Wir­kungseintritt, eine rasche Schmerzre­duktion bereits nach der ersten Infusion und eine sichere Anwend­barkeit in der Therapie des KMÖS. Bei über 500 therapierten Patienten mit KMÖS trat in keinem Fall eine Niereninsuffizienz oder eine Kiefernekrose auf. In etwa 10% der Fälle trat, zumeist nach der ersten Infusion, eine milde Akute-Phase-Rea­k­tion mit Gliederschmerzen und grippe­ähnlichen Symptomen auf, die keiner speziellen Therapie bedurften.

Im Vergleich zu einer Standardtherapie (Teil­belastung und Analgesie) zeigte die i.v. Ibandronattherapie in Studien eine signi­fikant bessere Reduktion des Schmerzes, eine schnellere und ausgeprägtere Verbesserung der Funktion und eine deutlich höhere radiologische Regress­ionsrate des Knochenmarködems inner­halb von vier bis sechs Monaten. Auch konnte eine signifikant schnellere Rück­kehr zur Arbeitsfähigkeit und zum vormaligen Sportleistungsniveau erreicht werden, womit der Spontanverlauf deut­lich abgekürzt werden konnte. Die Abbildungen 2a, 2b und 3a, 3b zeigen den Therapieerfolg nach einer i.v. Bisphosphonattherapie im zeitlichen Verlauf nach vier Monaten.

Folgende Infusionsschemata können verwendet werden:

  • Ibandonat: Drei Infusionen mit jeweils 6mg Ibandronat in monatlichen­ Abständen. Infusionsdauer 30min, Substanz aufgelöst in 100ml 0,9% NaCl-Lösung.
  • Zoledronat: Einmalige Infusion von 5mg in Infusionslösung über 30?min.

Begleitend zur i.v. Bisphosphonattherapie sollten eine Vitamin D-Supplemen­tation, eine Analgesie und eine schmerz­adaptierte Teilbelastung durchgeführt werden. Weiterhin sind klinische Verlaufskontrollen und eine MRT-Verlaufs­kontrolle zur Evaluation des Thera­pie­erfolges einen Monat nach der letzten In­fusion empfohlen. Alternativ kann auch der RANK-Ligand-Inhibitor, Denosumab, ein weiterer Osteoklastenhemmer eingesetzt­ werden. Anders als beim KMÖS zeigen die medikamentösen Therapieansätze bei Knochenmarködemen mit begleitender Osteonekrose einen deutlich eingeschränkten Therapie­erfolg und können hier meist nur das Ödem reduzieren und die Nekrosezone stabilisieren, jedoch nicht den irreversiblen Verlauf umkehren.

Weitere speziell im Fußballsport häufig auftretende Formen eines KMÖ sind Stress­frakturen der unteren Extremität (Abb. 4). Es handelt sich um eine Stressreaktion des Knochens aufgrund einer chronischen Über­lastung (z.B. starke Steigerung des Trai-nings- und Wettkampfpensums). Bei recht­zeitiger Diagnose können die meisten Stress­frakturen konservativ mit einer strikten Sportpause und einer Entlastungsphase von vier bis sechs Wochen erfolgreich therapiert werden. Chronische Verläufe können­ im Einzelfall mit einer osteoanabolen Thera­pie (z.B. Parathormon) therapiert werden („off-label-use”); nur selten ist eine Osteosythese notwendig.

Abb.4: Stressfraktur im Tibiakopf mit bandför­migem KMÖ bei einem 23-jährigen Fußballspieler

Operative Therapie

Die operative Therapie bei bestehenden Knochenmarködemen richtet sich nach dem KMÖ-Typ und den begleitenden bzw. verursachenden Pathologien. Eine Entlastungs­anbohrung kann bei einem therapieresisten­ten Ödem des Femurkopfes (Abb.5) nach erfolgloser konservativer und medikamen­töser Therapie in Betracht gezogen werden. Knorpelläsionen, die häufig mit einem ­ört­lich begrenzten subchondralen Knochen­ödem einhergehen, können mit einer Mikrofrakturierung oder einer Knorpel­er­satz­therapie versorgt werden.

Die Ab­bil­dungen 6a–c zeigen den Fall eines Fußballspielers mit einem chronischen Plica-Shelf-Syndrom und einer entstandenen Knorpelläsion mit einem darunterliegenden­ Stressödem der Femurkondyle. Beim sport­lich Aktiven (z.B. Varusgonarthrose) kann die unikompartimentelle Osteoarthrose mit einem wegweisenden Überlastungsödem in den Femur­kondylen oder der Tibia im Früh­stadium mit einer kompartimententlas­tenden Umstellungsosteotomie behandelt werden. Eine Sonderform des Knochenmarködems, das speziell bei Wechsellastsportarten wie beim Fußball auftritt, ist die Osteitis pubis, eine nichtinfektbedingte Ent­zündung der Symphyse und der angrenzenden Strukturen mit einem begleitenden Knochenödem der Schambeinäste. Man geht hier von einer chronischen Überlastung der sehnigen und periostalen Ansätze der stark beanspruchten Muskulatur aus, die zu einer lokalen Entzündung und einer Knochenstressreaktion führen.

Fazit

Im Fußballsport ist neben dem Kapsel-Band-Apparat speziell auch der Knochen einer hohen Belastung ausgesetzt. Häufig reagiert der Knochen auf Traumata und chronische Überlastungen mit einem Stress­ödem. Klinisch relevante Knochenmark­ödeme mit chronischen Beschwerden und Funktionseinschränkung können mit der MRT sicher diagnostiziert werden. Je nach Typ des Knochenmarködems und der vor­handenen begleitenden Pathologien können­ die dargestellten Therapiemethoden eingesetzt werden, um eine rasche Rückkehr zum Sport zu ermöglichen.

Autor: PD Dr. med. Christoph Bartl

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