Kennen Sie das? Sie haben sich im Sommer nach der Arbeit zum Tennismatch in Ihrem Club verabredet und genau dann fängt es an zu regnen, zuerst tröpfelnd, dann kontinuierlich. Tennis spielen unmöglich! Frustriert fahren Sie nach Hause und beschließen, noch Joggen zu gehen. Kaum wollen Sie los, wird der Regen so dicht, dass Ihnen nun auch zum Joggen die Lust vergangen ist. Der schüttende Regen hört erst auf, als es Zeit zum Abendessen mit Ihrer Familie wird. Kein Sport mehr an diesem Tag.
Kälte oder umgekehrt Hitze, Regen oder zu große Trockenheit, zu viel oder zu wenig Wind, kurz und gut äußere Umstände wie das Wetter können nicht nur die Motivation, sondern auch die Leistungen massiv beeinträchtigen. Wie aber kommt es, dass sich die einen z. B. von Regen und Nässe angespornt, die anderen abgeschreckt fühlen? Zugegeben, bei Regen ist es ungemütlicher als bei Sonnenschein, aber echte Jogger ziehen auch bei Regen ihr Programm durch. Wie machen die das? Regen, das war bekanntermaßen das Wetter von Fritz Walter und Regen fiel auch beim Endspiel 1954 in Bern. Müßig zu überlegen, ob bei Sonnenschein die Ungarn gewonnen hätten.
Dieselben äußeren Umstände können also ganz unterschiedlich wahrgenommen werden und motivieren oder demotivieren. Und es ist diese Wahrnehmung, die uns beeinflusst – unsere Energie, unser Stehvermögen, unser Handeln und schließlich auch die Leistung.
Wie können wir mit scheinbar widrigen Umständen besser fertig werden, sodass wir davon nicht beeinträchtigt, sondern vielleicht sogar beflügelt werden? Dass wir lernen, den Regen zu lieben, das Pfeifen der Zuschauer als Ansporn zu deuten, den Lärm der Flugzeuge über dem Tennisstadion zu ignorieren. Boris Becker hat einmal gesagt, dass man bei den US Open nur gewinnen könne, wenn man alles das lieben lernt, was einen Tennisspieler eigentlich stört: die Musik in den Pausen, die undisziplinierten Zuschauer, die Essensgerüche, den Fluglärm, die ständige Unruhe. Ganz nach dem Motto: Was dich nicht umbringt, das macht dich stark.
Äußere Umstände in einem Wettkampf oder im sportlichen Training lassen sich nicht beeinflussen, aber ihre Bewertung und ihre Wahrnehmung schon. Die Forschung zur Bewältigung von Stresssituationen im Sport, auch Copingforschung genannt, gibt zwei simple Ratschläge: 1.?Was du nicht ändern kannst, das lerne zu ignorieren oder noch besser, zu akzeptieren bzw. positiv zu bewerten. 2.?Was du ändern kannst, das lerne in deinem Sinne zu beeinflussen.
Für äußere Umstände würde somit im Allgemeinen der erste Ratschlag gelten. Welche Dinge aber kann ich beeinflussen und zwar so, dass es mir nutzt?
Wie also kann ich den zweiten Ratschlag befolgen? Beeinflussen kann ich meistens die Dinge, die an mir selbst liegen, also z. B. meine Interpretation, mein Handeln, meine Anstrengung, meine Stimmung, meine Motivation. Als Zinedine Zidane im Endspiel der Fußball WM 2006 gegen den italienischen Gegenspieler Matarazzo seinen fatalen Kopfstoß ansetzte, war dies offensichtlich ein – allerdings untauglicher – Versuch, seinen Gegenspieler zum Schweigen zu bringen. Zunächst hatte er es mit ignorieren versucht, also im Sinne der ersten Regel. Dann aber wollte er den Aussagen von Matarazzo ein Ende setzen, im Sinne der zweiten Regel. Nur schadete er sich damit selbst.
Wie aber kann ich aktiv eingreifen was zugleich meinen Zielen nutzt? Zinedine Zidane hatte sich offensichtlich geärgert. Ärger erhöht den Blutdruck, die Herzfrequenz und die motorische Aktivität. Ärger vermindert die geistige Klarheit und die motorische Koordination. Kurz und gut, Ärger führt in vielen Fällen zu Leistungseinbußen. Direkt – z.B. weil ich daneben schieße – oder indirekt, z.?B. weil ich vom Platz gestellt werde. Zidane hätte seinen Ärger reduzieren und seine Reaktion konstruktiv gestalten müssen, etwa den Schiedsrichter benachrichtigen oder seinen Ärger in verstärkte Spielhandlungen lenken.
Nun hinterher ist man immer schlauer, aber wie kann ich rechtzeitig lernen, mich leistungsförderlich zu verhalten? Aktiv die jeweilige Situation zu beeinflussen und zu gestalten?
Die wichtigste Botschaft aus der Sportpsychologie lautet: Ich kann und muss lernen, meine Gedanken zu beeinflussen. Über die Gedankenkontrolle kann ich dann auch die Situation und die Leistung beeinflussen.
Autor: Prof.Dr. Dorothee Alfermann