Verluste begrenzen – Speicher füllen
Häufig wird in der Sportpraxis die Frage nach dem idealen Sportgetränk gestellt. Die ehrlichste Antwort darauf wäre: „Das gibt es nicht.“ Der Grund für diese Antwort liegt darin, dass die Anforderungen an Sportgetränke sehr unterschiedlich sind, je nachdem, ob sie zur Vorbereitung auf eine Belastung, zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit während der Belastung oder zur Regeneration nach einer Belastung dienen.
Auch die Anforderungen an ein Getränk, das während des Sports eingenommen wird, sind nicht einheitlich. Sie hängen stark von der Art und Dauer der Belastung und den Umgebungsbedingungen wie Temperatur, Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit und Strahlungsintensität ab. Daneben spielen individuelle Faktoren wie Geschmack und Verträglichkeit eine Rolle. Beide werden von einzelnen Sportlern unterschiedlich empfunden und sind aus der Zusammensetzung nicht voraussagbar.
Getränke unmittelbar vor und bei Belastung
Wasser
Einigkeit besteht darüber, dass es am wichtigsten ist, Wasser zu supplementieren. Das hat mehrere Ursachen. Neben dem Verlust an Schweiß spielen sofort mit Belastungsbeginn zwei weitere Faktoren, die den Wasserhaushalt beeinflussen, eine Rolle.
Der erste Faktor ist die Filtration von Flüssigkeit aus dem Plasma in das Interstitium der arbeitenden Muskulatur. Die Filtration beeinflusst die Konzentration kleinerer Moleküle kaum, führt aber zu einer Abnahme des Plasma- bzw. des Blutvolumens. Der zweite Faktor ist eine osmotisch bedingte Wasserverschiebung aus dem Extrazellulärraum in die aktiven Muskelfasern. Ursache für diese Wasserverschiebung ist die Akkumulation von Metaboliten in der arbeitenden Muskulatur.
Die wesentlichen Metabolite sind die Spaltprodukte des Kreatinphosphats und das Laktat. Diese Wasserverschiebung erhöht die Konzentration der gelösten Bestandteile und reduziert das Plasma- bzw. Blutvolumen. Da Filtration und osmotisch bedingte Wasserverschiebung intensitätsabhängig sind, spielen sie bei kurzen, erschöpfenden und natürlich bei Spielsportarten mit häufigen, hochintensiven Belastungen eine große Rolle. Zu diesen beiden Faktoren kommt der Wasserverlust durch das Schwitzen und über die Atmung. Da Schweiß hypoton ist, wiegt der Verlust an Wasser schwerer als der Verlust an Elektrolyten. Der Wasserverlust im Zusammenspiel mit der Wasserverschiebung kann die Kreislauffunktion beeinträchtigen.
Die Fließeigenschaften des Blutes werden verschlechtert, die Herzarbeit wird größer, das Schlagvolumen wird verringert, die gleichzeitige Durchblutung der Muskulatur und der Haut zur Thermoregulation wird erschwert. Die Thermoregulation wird zusätzlich beeinträchtigt, da schon der Wasserverlust alleine die Wärmekapazität des Körpers reduziert. Das bedeutet, dass durch die im Stoffwechsel entstehende Wärme die Körpertemperatur schneller ansteigt. Die genannten Faktoren führen dazu, dass schon relativ geringe Wasserverluste die körperliche Leistungsfähigkeit deutlich reduzieren. Aber auch die kognitive Leistungsfähigkeit kann reduziert werden. Daraus wird ersichtlich, dass eine Wasserzufuhr bei Belastung wichtig ist.
Dagegen besteht bei kurzen Belastungen akut keine Notwendigkeit, z. B. Elektrolyte zuzuführen, da die Körperflüssigkeiten konzentrierter werden. Die Zufuhr von Elektrolyten während der Belastung ist deshalb eine „Option auf die Zukunft“, die zur Unterstützung der Regeneration nach der Belastung eingelöst wird. Erst bei langen Belastungen, wenn durch die Wasserzufuhr eine Verdünnung des Plasmas und damit eine Hyponatriämie droht, ist vor allem die Gabe von Natrium wichtig. Jetzt können auch weitere Substanzen, die während der Belastung verloren gehen, dem Getränk zugesetzt werden.
Energiezufuhr
Nach der Wasserzufuhr ist die Energiezufuhr die wichtigste Aufgabe. Die lässt sich am besten durch die Gabe von Kohlenhydraten gewährleisten. Damit soll die Glukosekonzentration im Blut konstant gehalten werden. Dazu ist es wichtig, eine Mischung aus kurz- und langkettigen Kohlenhydraten im Getränk zu verabreichen, damit die Glukosekonzentration lange konstant gehalten werden kann.
Die Alternative wäre, „permanent“ zu trinken, um kurzkettige Glukose nachzuliefern. Durch eine konstante Glukosekonzentration werden zwei wesentliche Aufgaben erfüllt: die Versorgung des arbeitenden Muskels und die Versorgung des Gehirns. Letzteres stabilisiert die Koordination und hält Konzentration und Motivation aufrecht. Daher ist die Konstanz des Blutzuckerspiegels nicht nur bei langen Ausdauerbelastungen, sondern auch in den Spielsportarten mit zum Teil hochintensiven Intervallbelastungen wichtig. Auf muskulärer Ebene hat die ausreichende Kohlenhydratversorgung mehrere Wirkungen:
- In den schnellen Muskelfasern (Typ II) hat sie Glykogen sparende Wirkung.
- Sie stabilisiert die Erregbarkeit der Muskelfasern.
- Sie lässt die Ammoniakkonzentration im Blut weniger stark steigen.
Das kann Zeichen eines geringeren Eiweißabbaus oder aber einer geringeren Beanspruchung des Purin-Nukleotid-Zyklus sein (oder beides). Neben diesen muskulären Effekten stabilisiert die Kohlenhydratgabe bei intensiven Intervallbelastungen die Natriumkonzentration im Plasma. Über diese „Notwendigkeiten“ hinaus hat man immer wieder versucht, durch die Zugabe ergogener Substanzen die Leistungsfähigkeit zu erhöhen.
Dazu gehören die Verwendung von verzweigtkettigen Aminosäuren zur Reduzierung von zentraler Ermüdung, die Gabe von Koffein zur zentralen Aktivierung und zur Aktivierung des Fettstoffwechsels, die Gabe von Carnitin zur Erhöhung des Fettstoffwechsels usw. Die Wirksamkeit dieser Supplemente ist z. T. umstritten bzw. z. T. nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen gesichert. Seit einiger Zeit scheint in diesem Zusammenhang die Zugabe von NO-Donatoren (z. B. Arginin) erfolgversprechend zu sein. Über diesen Weg sollen die Muskeldurchblutung bei Belastungsbeginn schneller ansteigen und so die Versorgungssituation des Muskels schneller optimiert werden.
Weiterhin scheint durch diese Maßnahme der Sauerstoffverbrauch relativ zur Leistung reduziert zu werden. Die zu Grunde liegende Erhöhung des muskulären Wirkungsgrads würde durch eine Schonung der Ressourcen zu einer Leis tungsverbesserung führen.
Getränke in der Erholungsphase
Nach einer Belastung sind die Aufgaben, die ein Sportgetränk zu erfüllen hat, vollkommen andere. Hauptziel ist es jetzt, die Regeneration zu beschleunigen. Dazu gehören
- die Entspannung des Sportlers,
- die Speicher (Wasser und Kohlenhydrate, Elektrolyte) zu füllen,
- die katabole Stoffwechselsituation wieder in eine anabole umzukehren.
In der Erholungsphase gehen mehrere physiologische Prozesse Hand in Hand; einige davon „wie von selbst“. So ist die Glukoseaufnahme in die Muskulatur unmittelbar nach einer Belastung gesteigert. Diese Steigerung ist insulinunabhängig, nimmt aber mit der Zeit ab. Das Angebot an kurzkettigen Kohlenhydraten sollte in dieser Zeit möglichst hoch sein, da so das Substratangebot für den Glyko genaufbau erhöht wird. Gleichzeitig steigt die Insulinkonzentration und damit die Transportkapazität für Glukose in die Muskulatur. Durch die erhöhte Insulinkonzentration ist zusätzlich die Muskelglykogensynthese erhöht. Genau wie die Glukoseaufnahme ist auch die Kaliumaufnahme in die Muskulatur nach der Belastung erhöht.
Ursache ist die auch nach der Belastung noch anhaltende, arbeitsbedingte Aktivierung der Natrium-Kalium-Pumpe. Diese Aktivierung kann durch Insulin erhöht werden. Das bedeutet, dass eine Gabe von kurzkettigen Kohlenhydraten nach der Belastung „nebenbei“ die Füllung des Kaliumspeichers in der Muskulatur unterstützt. Daher ist eine Kaliumbeimischung im Erholungsgetränk sinnvoll. Das Gleiche gilt für auch Natrium. Damit kann der Wasserspeicher des Körpers effektiver aufgefüllt werden. Das hierfür verantwortliche Hormon ist das Aldosteron.
Es steigt bei Belastung intensitäts- und dauerabhängig an. Seine natrium- und wasserretinierende Wirkung hält bis zu 48 Stunden nach einer Belastung an und ist ein wesentlicher Mechanismus zur langfristigen Steigerung des Blutvolumens. Zur Stabilisierung des Plasmavolumens trägt zusätzlich zur Kohlenhydratgabe eine Protein- oder Aminosäuregabe bei. Da der Insulinanstieg den Aminosäurentransport in die Muskulatur erhöht, wird so nebenbei das Substrat für den Eiweißaufbau vermehrt zur Verfügung gestellt. Die Aminosäure Theanin scheint zusätzlich zur Entspannung des Sportlers nach einer Belastung beizutragen. Weitere Substanzen, die bei Belastung „verloren“ gehen, können dem Erholungsgetränk beigefügt werden.
Allerdings sollte man bedenken, dass ein Sportgetränk die Erholung schnell einleiten und unterstützen kann; möglichst bald sollte aber „natürliche“ Nahrung in den Vordergrund treten, da so die breite Palette aller Nährstoffe mit wichtigen Bestandteilen, die wir heute noch längst nicht alle kennen, genutzt werden kann.
Fazit
Das eine optimale Sportgetränk für alle Gelegenheiten gibt es nicht. Die Zusammensetzung muss sich immer nach den Umgebungsbedingungen sowie nach den speziellen Anforderungen der jeweiligen Sportart richten. Während einer Belastung ist die Wasserzufuhr das Wichtigste, gefolgt von Kohlenhydratund Elektrolytsupplementation. Nach der Belastung stehen die Wiederauffüllung der Speicher und die Beendigung der katabolen Stoffwechsellage im Vordergrund.
Autor: Prof. Dr. rer. n Norbert Maassen
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