Das patellofemorale Schmerzsyndrom (PFPS) ist eine häufige Ursache für den „vorderen Knieschmerz“. Vor allem sportlich aktive Frauen ohne wesentliche pathologische Veränderungen am Gelenkknorpel sind betroffen. Als Auslöser des PFPS gilt eine Überlastung des Femoropatellargelenkes (z.B. sportliche Überlastung durch zu hohe Trainingsintensität).
Patienten mit PFPS leiden an retro- und/oder peripatellaren Schmerzen, die sich bei Aktivitäten mit hoher Beanspruchung des Patellofemoralgelenks wie Gehen, Laufen, Treppensteigen, Hockstellung und langes Sitzen verstärken. Ursache des PFPS ist meist ein funktionelles Malalignement mit valgischer Stellung des Kniegelenkes aufgrund einer Innenrotation von Femur und Tibia.
Dadurch kommt es zu einer Dezentrierung der Patella. Ursächlich für das funktionelle Malalignement sind oft schwache Außenrotatoren und Abduktoren des Hüftgelenkes und fehlende Rumpfstabilität. Auch Fehlstellungen des Fußes kommen in Betracht. Muskuläre Dysbalancen der Quadrizepsanteile, Kontrakturen des Tractus iliotibialis und der ischiokruralen Muskulatur treten sekundär auf und können das PFPS verstärken und aufrechterhalten. Es entsteht ein Circulus vitiosus.
Therapie bei PFPS
Da bei Patienten mit PFPS keine strukturellen Schäden vorliegen, lassen sich die Beschwerden nicht mit chirurgischen Eingriffen lindern. Die Therapie des PFPS erfolgt in erster Linie konservativ, ist häufig langwierig und für den Behandler und Patienten frustran.
Multimodaler Behandlungsansatz
Zu den evidenzbasierten Therapieformen gehören verschiedene konservative Therapieoptionen. Neben der Physiotherapie (spezielles Kraft- und neuromuskuläres Training in geschlossener und/oder offener Kette) sind das auch die Versorgung mit Tape, Orthesen, Einlagen und die pharmakologische (nichtsteroidale Antirheumatika) Therapie. Vordergründige Behandlungsziele sind die Schmerzreduktion und die Verbesserung der muskulären Funktionalität. Nur mit einem gezielten, multimodalen Behandlungsansatz ist dieses Ziel zu erreichen. Zur Schmerzreduktion sollten zunächst die neuromuskuläre Steifigkeit der betroffenen unteren Extremität optimiert werden und das Alignement der Patella passiv unterstützt werden. Auf diese Weise kann innerhalb bereits einer Woche eine Schmerzreduktion bei Patienten mit PFPS erzielt werden.
Der hier beschriebene multimodale Therapieansatz beinhaltet folgende therapeutische Maßnahmen.
- Spezifische Physiotherapie zur Korrektur des funktionellen Malalignements (Rumpf- und Beckenstabilität, Oberschenkel und Unterschenkel).
- Gluteal Tape nach McConnell:Das Gluteal Tape nach Mc Connell kann zu einer verstärkten Extension und Außenrotation des Femurs führen und dem funktionellen Malalignement entgegenwirken.
- Kurzfristige Kühlung der Patella- und Achillessehne mittels Chloräthyl : Kälteanwendungen mittels Chloräthyl beeinflussen die Durchblutung und den Stoffwechsel positiv und erhöhen dadurch die Effektivität des anschließenden Trainings.
- Versorgung mit der Rezentrierungsorthese Patella Pro®:Bei der Patella Pro® handelt es sich um eine spezielle Rezentrierungsorthese, die der Lateralisation der Patella im relevanten Beugewinkel progressiv entgegenwirkt und so die Schmerzen günstig beeinflusst.
- Sechsminütiges Ganzkörper-Vibrationstrainings: Das angewandte Vibrationstraining stellt eine Form des Krafttrainings dar. Unmittelbar nach lokaler Kälteanwendung kann mit einer höheren Belastungsintensität trainiert werden.
- Durchführung des Patella move®-Programmes in Eigenregie: Dieses Programm unterteilt sich in leicht durchführbare Übungen zur Schmerzreduktion, Muskelkraftsteigerung, Koordination und Balance.
Entscheidend ist die Einhaltung der Abfolge der einzelnen Therapiebausteine in jeder Behandlungseinheit. Das Gluteal Tape nach McConnell wird zu Beginn jeder Therapieeinheit angebracht und bis zur nächsten Behandlung getragen. Im Anschluss an das Tapen erfolgt für 10 s die Kühlung der Patella- und Achillessehne mithilfe eines Kältesprays. Unmittelbar nach der Anwendung des Kältesprays sollen die Patienten die Re-Zentrierungsorthese am betroffenen Kniegelenk für 6 h Stunden täglich tragen. Es folgte ein sechsminütiges Ganzkörper- Vibrationstraining bei über 25 Hz und einer Gesamtamplitude zwischen 3 und 4 mm.
Die Patienten stehen hierbei hüftbreit mit leicht gebeugten Kniegelenken und aufrechter Körper haltung auf einer Vibrationsplattform Galileo Fitness®. Zusätzlich zu den beschriebenen Maßnahmen führen die Patienten einmal pro Tag eigenständig das Bewegungsprogramm Patella Move® durch. Die Patienten sollen ihre gewohnten, sportlichen Aktivitäten im Behandlungszeitraum weiter durchführen.
Die Effektivität dieses Programmes wurde im Rahmen einer prospektiven Beobachtung in der klinischen Praxis an zunächst zehn Athleten mit einem seit durchschnittlich 27 (±17) Monaten bestehendem PFPS untersucht. Nach bereits einer Behandlungswoche mit drei Behandlungstagen konnte die Schmerzintensität bei alltäglichen Aktivitäten und im Sport deutlich reduziert werden. Weitere vergleichende Beobachtungen mit einer höheren Stichprobenanzahl sind aufgrund der Ergebnisse zu empfehlen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der beschriebene einwöchige multimodale Therapiealgorithmus mit Physiotherapie zur Korrektur des funktionellen Malalignements, Gluteal Tape nach Mc Connell, lokaler Kälteanwendung mittels Chloräthyl, der Anwendung der erwähnten Rezentrierungsorthese, dem seitenalternierenden Ganzkörpervibrationstraining und dem oben beschriebenen Heimtrainingsprogramm zu einer signifikanten Schmerzreduktion während der dynamischen Aktivitäten führen kann.
Autoren: Ingo Volker Rembitzki, PD Dr.med. Christian Liebau, Prof. Dr. med Wolf Petersen
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