Der Schlaf des Sportlers – Regeneration

Der Mensch ist, wie alle Lebewesen, ein sich selbst regenerierendes System. Nach einer bestimmten Zeit der Aktivität benötigt er eine Phase der Ruhe, um Regenerations- und Speichervorgänge durchführen zu können.

Diese Phase ist durch äußere Ruhe gekennzeichnet, wobei der dann stattfindende Schlaf aber, entgegen dem äußeren Anschein, als ein hochaktiver, regelhaft sich ändernder Prozess abläuft. Vom zeitlichen Verlauf her ist der Schlaf eingebettet in einen 24-Stunden-Rhythmus und sein optimaler Zeitpunkt ist von inneren Uhren vorgegeben. Dies ist der Zeitraum um das nächtliche Temp­eraturminimum (gegen 3–4 Uhr). Viele andere biologische Funktionen zeigen hier Maximal- bzw. Minimalwerte. ­

Diese ausgeprägte Funktionsineffekti­vität und Labilität der verschiedenen Organsysteme wird hier mit Schlaf überbrückt. Erholungsfunktionen, die durch unsere alltägliche ­Aktivität unterdrückt werden, können dann maximal tätig sein. Hierin könnte eine der Funktionen des Schlafes liegen: Überbrückung eines Zeitraumes, der für die ­Interaktion mit der Umwelt in­effektiv ist und gleichzeitig die Möglichkeit zur Aktivierung von Funktionen bietet, die mit motorischer Aktivität ­inkompatibel sind. Zu diesen Funktionen gehören die notwendigen Regenerations- und Speicherungsaktivitäten.

Der Organismus hat sich über die innere Uhr an die äußeren Bedingungen angepasst und legt den Zeitraum für Schlaf während der dunklen Nacht fest. Hier sind sowohl die äußeren Bedingungen (Dunkelheit, Kälte, Monotonie) als auch die inneren Bedingungen (geringe Leistungsfähigkeit, Kreislauflabilität, Müdigkeit) dafür geeignet, sich von äußeren Aktivitäten zurückzuziehen und die Zeit für Erholung und Regeneration zu nutzen.

Auf Belastung, gleich ob alltäglicher Art oder unter besonderen Bedingungen wie intensivem Sport, reagiert der ­Körper mit verstärkten Regenerationsvorgängen. Diese können Sekunden benötigen aber auch Stunden oder sogar Wochen. Im Stundenbereich liegt der Schlaf, welcher durchschnittlich 7 Stunden dauert. Der Erholungswert des Schlafes kann über die Schlafdauer, aber noch deutlicher, über die Qualität des Schlafes definiert werden. Hier ist vor allem der sogenannte Tiefschlaf von ­Bedeutung, der normalerweise in den ersten 4 bis 5 Stunden einer Schlafzeit liegt. Mehr Tiefschlaf bedeutet ver­stärkte Regeneration. Vor allem das während des Tiefschlafs ausgeschüttete Wachstumshormon ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Es ist für Muskel-, Haut- und Haarwachstum verantwortlich. Dieses Hormon verändert die Zusammensetzung unseres Körpers mit mehr Muskelmasse und weniger Fettgewebe. Neben der Erhöhung der Muskelkraft ist es auch für eine Zunahme an Knochenmasse verantwortlich.

Als weitere Auswirkung des Schlafes im Zusammenhang mit Sport ist die nächtliche Abspeicherung von neu gelerntem Wissen und Erfahrungen zu sehen. Nachts im Schlaf spult das ­Gehirn die gleichen Prozesse auf neuronaler Ebene ab, die es tagsüber während der Übungen oder der Lernvorgänge durchführte. Dieser Vorgang wird unter dem Begriff „Replay-Theorie“ gefasst. Er betrifft nicht nur das Lernen von Wissen, sondern auch von psychomotorischen Abläufen, welche ja gerade für viele Sportarten mit bestimmten Bewegungsabläufen von großer Bedeutung sind. Dieses mentale Training führt zu einer Festigung der Lerninhalte, sodass nach dem Schlaf das Wissen besser ­erinnert wird und gelernte Bewegungsmuster besser sitzen. Diese Lern­vor­gänge scheinen vor allem während der zweiten Schlafhälfte abzulaufen.

Nicht zuletzt sollte in diesem Zusammenhang auch die Auswirkung des Schlafes auf unser Immunsystem genannt werden. Während der Zeit des Tiefschlafs regeneriert sich vor allem auch unser Immunsystem, um im täglichen Kampf gegen Infektionen und andere Erkrankungen besser gerüstet zu sein. So erhöht zu wenig Schlaf das ­Risiko eine Infektionserkrankung auszulösen. Der Begriff des sich „gesund schlafens“ erhält hierdurch seine Bedeutung.

Sportliche Betätigung bis zu einem gewissen Grad führt zu einer Verbesserung des Schlafes. So zeigt sich eine Verlängerung der Schlafzeit und vor allem mehr Tiefschlaf nach dem Sport. Dies gilt für gerade erst aufgenommene, vermehrte körperliche Bewegung, wie auch für diejenigen, die schon immer Sport treiben. Auch die schlafen nachweisbar besser. Das gleiche Bild ergibt sich bei älteren Menschen. Auch diese profitieren verstärkt vom Sport. Sport als Prävention von Schlafstörungen ist gut belegt: So lässt sich die Zunahme der Schlafstörungen im Alter durch ­regelmäßige körperliche Aktivität aufhalten.

Wichtig ist natürlich die Art, Dauer und Intensität. Ausdauersportarten, die den Kreislauf in Schwung bringen, ­führen eher zu besserem Schlaf im Vergleich zu Kraftsport, der überwiegend die Muskeln beansprucht. So positiv sich moderater Sport auf den Schlaf auswirkt, so negativ verhält es sich mit intensivem Sport. Exzessiver Sport wie er auch in Form von „Übertraining“ ­bekannt ist, führt zu neuroendokriner Fehlregulation mit verminderter Leistungsfähigkeit und zu gestörtem Schlaf mit seinen Konsequenzen. Die fehlenden Erholungspausen, die auch noch nicht nach einer einzelnen Erholungsnacht kompensiert werden können, führen zu einer gesteigerten Ermüdung, verringerter Regeneration und weniger Lern­effekten. Und hier dreht sich die ­Auswirkung der Sportart um. Ausdauersportarten, exzessiv betrieben, wirken sich negativer auf den Nachtschlaf aus als Kraftsportarten.

Vor allem in der Zeit vor einem Wettkampf kommt noch ein zusätzlicher schlafstörender Effekt hinzu. Der Stress in Erwartung der kommenden mentalen und physischen Belastung führt zur Anspannung, ein Zustand der mit der für den Schlaf erforderlichen Ruhe nicht vereinbar ist. Beruhigend für den Sportler ist es zu wissen, dass gelegentlicher schlechter Schlaf sich nicht ­negativ auf seine Leistungsfähigkeit auswirken muss.

Auch die Tageszeit spielt beim Sport eine wichtige Rolle. Ein abendlicher Marathonlauf und die Schlafstörung ist vorprogrammiert. Auch langes abendliches Schwimmen putscht den Körper und Kreislauf eher auf, behindert den folgenden Schlaf. Gerade Leistungssportler können hier vieles falsch machen. Diese können bei übertriebenem Training unter Stresssymptomen mit Muskelerschöpfung, verschlechtertem Immunsystem und gereizter oder gedrückter Stimmung leiden. Und unter Stress ist der Schlaf beeinträchtigt und bei totaler Erschöpfung erst recht.

Hier wäre es wichtig, einen richtigen Zeitplan einzuhalten um diese Auswirkungen zu reduzieren. Der beste Trainingseffekt beim Sport wird am Nachmittag erreicht. Danach sollte die Ruhephase eingeleitet werden. Unabhängig von diesen Zeitvorgaben, die von den biologischen Rhythmen vorgegeben werden, sollte beachtet werden, dass ­unser Organismus auch die Tageszeit beim Lernen miterfasst. Zu der Tageszeit, zu der trainiert wird, kann auch die Leistung am Besten abgerufen werden. Insofern scheint es bei der Vorbereitung auf einen Wettkampf lohnend, die Trainingszeiten nach den Wettkampfzeiten auszurichten.

Lange Zeit wurde abgeraten, am späten Abend Sport zu treiben, dies würde den Schlaf stören. Aber auch am Abend verbessert moderater Sport den Schlaf. Der Körper muss ermüdet ­werden. Als Grenze sollten 2 Stunden vor dem Schlafen gehen gesehen werden, bei weniger intensiven körperlichen Bewegung kann es sogar bis kurz vor dem Schlafen gehen stattfinden. Ein „Zaubermittel“ für guten Schlaf ist der abendliche Spaziergang. Auch das ist körperliche Bewegung und zwar der ganz ruhigen Art. Sie fördert die Verdauung, entspannt Geist und Körper und geleitet so in den Schlaf. Und erholsamer Schlaf ist Grundvoraussetzung für Wohlbefinden, Gesundheit und Leistungsfähigkeit.

Autor: Prof. Dr. Jürgen Zulley

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